Skip to main content

Deprivation & Resozialisierung

Heute werden mir in der Verhaltenstherapie - weit über die Ostschweiz hinaus - immer öfter sog. Problemhunde vorgestellt, die entweder aus dem Ausland gerettet wurden und dort nicht viel (Gutes) erlebt haben - dazu kommt oft auch ein Kulturschock. Oder sie stammen aus schlechter Haltung oder schlechter Aufzucht und wuchsen isoliert und mit nur wenigen Umweltreizen auf. Vielfach wird soziale Isolation von uns Menschen unabsichtlich sogar provoziert, wo z.B. Tierheimhunde oft keine Möglichkeit haben, sozial zu interagieren. Hier kann die Konsultation eines Verhaltenstherapeuten oder Tiertherapeuten die beste Lösung sein!

Deprivation nennt man es, wenn Menschen Tieren (oder auch Menschen!) den dringed nötigen sozialen Kontakt zur Umwelt verweigern. Es ist der Zustand der Entbehrung, des Entzuges, des Verlustes oder der Isolation von etwas Vertrautem. Das Gesicht der Deprivation zeigt sich in widersprüchlichen sozialen Reaktionen, einer Mischung aus Annähern und Vermeiden gegenüber Tieren und/oder Menschen, sowie in emotionalen Störungen wie Mangel an Ansprechbarkeit oder auch Apathie.

Weiter gehört das unaufhörliche Pfotenlecken zu den Symptomen der Deprivation - immer tierärtzlich Rückenprobleme ausgeschlossen!

Re-Sozialisierung:

Die Resozialisierung von Hunden gehört in die Hand eines seriös ausgebildeten Verhaltenstherapeuten. Ich als Tiertherapeutin hatte selber einen ehemaligen Deprivaten zu Hause. Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass das Training mit sozial auffälligen resp. inkompetenten Hunden - im speziellen Deprivaten - sehr lange dauern kann und auch immer mal wieder von Rückschritten begleitet wird. Es geht hier um das vorsichtige Miteinander, das langsame Annähern von zwei oder mehreren Individuen, die einander fremd sind. Es geht um die Erweiterung des Freundeskreises Ihres Hundes damit sich eine positive Gewöhnung einstellt. Es lohnt sich definitiv, den armen Tieren die Chance zu geben, weitgehend problemfrei mit Artgenossen und/oder Menschen leben zu lernen. Auch die Menschen wachsen am gemeinsamen Erfolg mit ihrem Hund, und sie lernen so Ihren Liebling ganz neu kennen. Resozialisierung ist für mich eine der wichtigsten und schönsten Aufgaben, mit einem individuell für jedes Hund-Mensch-Team zusammengestellten Trainings-Plan. Praktisch alle Hunde können resozialisiert werden! Sie brauchen unsere Hilfe und Unterstützung, nie aber Gewalt.

Die Fallen:

Am schlimmsten dünken mich immer die ignoranten Menschen, die ihre Hunde par-tout nicht zu sich rufen oder an die Leine nehmen, obwohl sie von weitem sehen können, dass mein Hund angeleint ist. Nach dem Motto: "Der tut nichts, er will nur spielen!" gehen viele Zeitgenossen gänzlich ohne Leine aus dem Haus. "Aber meiner will halt nicht spielen... und meiner tut was!!!" Selbst die Bitte, das Tier doch zu sich zu nehmen, wird überhört. Mich schmerzt es, wenn mein Hund einen Fehler machen muss, indem er auslöst, wo ihm das Ganze hätte erspart bleiben können, hätte der andere Mensch rücksichtsvoll reagiert.

Es gibt mehr und wichtigere Gründe, einen Hund an der Leine zu führen, als ihn frei laufen zu lassen - Läufigkeit, Krankheit, Alter, soziale Unverträglichkeit (z.B. Deprivation, soziale Isolation), Jagdverhalten... Und jedes Lebewesen hat ein unangefochtenes Recht auf Unversehrtheit und ein Recht auf Angst. Was, wenn der Hund doch was tut? Gerade Angst ist ein ganz starkes Gefühl. Hat jemand Angst, ist ihm bereits etwas (Schlimmes) zugestossen! Bitte nehmen Sie Mitmenschen mit und ohne Hund ernst, die Sie als Hundehalter bitten, Ihr Tier an die Leine zu nehmen. Diese Menschen und ihre Tiere haben alle einen guten und wichtigen Grund. Und Sie selber helfen uns mit Ihrem einsichtigen und freundlichen Verhalten, aus unseren "schwierigen" Tieren sozial kompetente Begleiter zu machen.

Übrigens regeln das die Hunde untereinander nicht generell selber... oft können sie das gar nicht ohne unsere Führung! Und Ihr Hund ist auch nicht automatisch ein Therapiehund, nur weil er sich entspannter zeigt in der Konfrontation als ein Hund mit Deprivations-Symptomen.

Erziehungs-Pflichten - wie beim Kind:

Wir lassen unsere Kinder auch nicht mit jedem entgegenkommenden anderen Kind spielen oder kämpfen, es verjagen oder gar verprügeln... Auf ein soziales und vernünftiges Miteinander!

Bitte nicht so:

Doku-Sendungen über Hundeflüsterer und Tiernanny anmieren oft zum Nachmachen der gezeigten Trainingsmethoden, denn der Trainer löst das Problem sofort und praktisch mühelos auf, und das meist ganz ohne das Mitwirken des Hundehalters. Dieser erhält nach wenigen Minuten einen "ganz neuen braven Hund"! Bitte betrachten Sie solche Trainings-Vorgaben skeptisch. Oft wird mit Leinenrucken und Ziehen und Reissen oder gar Aufhängen des Hundes am (Stachel- oder Würge-) Halsband, welches zuerst ganz oben am Kopfansatz platziert und eng angezogen, ist gearbeitet. So habe der Mensch mehr Einfluss auf seinen "bockigen Liebling"... Jeder Hund wird irgendwann "nachgeben", damit die Qualen aufhören. Wünschen Sie sich so eine Beziehung mit Ihrem Hund? Eine Beziehung, die auf Angst und Schmerz basiert? Hinterfragen Sie ruhig einmal, was man am Fernsehen zeigt. Es gibt viele Wege zum vertrauensvollen Miteinander, sicher aber nie mit Gewalt. Die gezeigten Hunde reagieren mit Angst und Beschwichtigung... Stomhalsband, Ferntrainer, Teletakt, Würgehalsband, Stachelwürger und all die grausamen Hilfsmittel in der Hundewelt sind tabu! Und: Sind Sie sicher, dass Ihr Hund das problematische Verhalten genau aus der gleichen Motivation zeigt, wie der Hund im Fernsehen? Wenn Sie da rucken und dort drücken, geht das Fehlverhalten weg? Finger weg! Jeder Hund muss einzeln beurteilt werden, damit ich ein auf eben dieses Tier und seinen Halter zugeschnittenen Trainingsplan erstellen kann. Ich distanziere mich von jeglicher Gewalt bei der Erziehung und beim Training.